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Behavioral Economist David Dreyer Lassen: „What Google or Facebook know, is dangerously invasive“
4. Mai | 11:08
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“Rückblickend ist man immer klüger”, sagte Martin Kocher beim dritten digitalen VBEN (Vienna Behavioral Economics Network) am 12. Mai 2020, bei dem der Leiter des Instituts für Höhere Studien in Wien mit Gerhard Fehr (CEO FehrAdvice & Partners AG, Zürich) die ersten Lehren aus dem globalen Lockdown diskutierte. “Dieser Virus ist in seinem Verhalten für uns Menschen schwierig zu verstehen”, so Gerhard Fehr. “Und die Daten, die wir heute haben, hatten wir Mitte März nicht zur Verfügung.” Niemand wisse, was ohne Lockdown passiert wäre. Und welche der nationalen Lösungsstrategien die beste sei, lasse sich in einer globalisierten und vernetzten Welt ohnehin kaum erkennen.
So war das zentrale Thema dieses digitalen VBEN auch nicht die Rückschau, sondern der Ausblick in die nahe Zukunft. Wie können die Folgen des wirtschaftlichen Einbruchs durch die Corona-Pandemie minimiert werden? “Um die Wirtschaft wieder nach oben zu bringen, ist es wichtig, dass jetzt alle Länder gemeinsam öffnen, nicht nur einzelne. Es geht in den kommenden Wochen darum, wieder miteinander zu kooperieren”, so Kocher.
Wirtschaftlicher Wohlstand basiert heute auf Internationalisierung und Globalisierung. Ein Neustart, so Fehr und Kocher, könne daher nur gemeinsam mit möglichst vielen Ländern gelingen. “Kooperation zwischen den Ländern bedeutet nicht nur, die Grenzen zu öffnen, sondern auch gemeinsam Messinstrumente und Skalen zu finden, mit deren Hilfe wir sie auch dauerhaft offenhalten können”, erklärte Fehr. Nachsatz: “Dies zu erreichen, ist die Aufgabe von Institutionen wie der Europäischen Union.”
Kooperieren und testen
Eine essenzielle – ebenfalls grenzüberschreitende – Kooperationsleistung ist auch andere nicht anzustecken. Und bei den Maßnahmen dafür orten die beiden Diskutanten noch Aufholbedarf. Man arbeite hier noch immer mit Krankenzahlen und Ansteckungsraten. Beide liefern nur ungenügende Entscheidungsgrundlagen. Ein effizienteres Instrument sind systematische und regelmäßig durchgeführte randomisierte Tests in allen Ländern. Sie dienen dazu, eine unverzerrte Sicht und vergleichbare Indikatoren für die Infektionen zu bekommen und können als Grundlage für international abgestimmte Maßnahmen dienen.
“Wissenschaft war noch nie so wichtig”, sagt Fehr. Sie liefert die Grundlage für das Design von Regeln und Rahmenbedingungen, innerhalb derer dann Unternehmen ausprobieren können, wie ihnen der Neustart am besten und schnellsten gelingt. Um dies zu ermöglichen, haben Fehr und Kocher auch gemeinsam mit anderen Wissenschaftlern und Unternehmern die globale Initiative “Test the World” gestartet, die sich für flächendeckendes randomisiertes Testen einsetzt, um damit das Hochfahren der Wirtschaft zu unterstützen.
Save the date: 27. Mai 2020 – The Way out of Corona: Why Testing matters. Talk between Dan Ariely and Ernst Fehr
Im nächsten digitalen VBEN diskutieren die beiden Verhaltensökonomen Dan Ariely und Ernst Fehr live auf Zoom, warum es für einen effektiven Kampf gegen Corona regelmäßige, standardisierte Tests braucht, die auf Zufallsstichproben basieren.
Für eine wirksame Anti-COVID-19-Strategie und eine nachhaltige Rückkehr in die Normalität müssen laufend Daten zur Infektion erhoben werden. Wer hat sich infiziert? Mit wem bestand Kontakt? Und steckt möglicherweise ein Infektions-Cluster hinter einem identifizierten Fall?
Derzeit wird meist bei berechtigtem Verdacht auf eine Infektion getestet. Für die beiden renommierten Verhaltensökonomen Ernst Fehr (Universität Zürich) und Dan Ariely (Duke University) ist dieser Ansatz nicht zielführend. Die beiden Wissenschaftler diskutierten am 27. Mai 2020 im Rahmen einer Online-Konferenz des Vienna Behavioral Economics Network über wirksame Maßnahmen zur Rückkehr in die Normalität nach Corona. Sie plädierten dabei für repräsentative, randomisierte Corona-Tests in allen Ländern. Dies sei eine weitaus wirksamere Alternative als der derzeit verfolgte Ansatz.
Warum testen?
„Wir setzen noch immer viele weitreichende Maßnahmen ohne eine solide Datengrundlage“, sagte der aus Israel zugeschaltete Ariely. „Daher müssen wir mehr Daten sammeln, um endlich besser zu verstehen, was tatsächlich passiert.“ „Diese Daten sollten aus repräsentativen Samples in den einzelnen Ländern stammen“, ergänzte Fehr. „Wenn wir sie nicht erheben, wird es sehr schwer, in die Normalität zurückzukehren.“
Repräsentative Tests mit Zufallsstichproben bieten viele Vorteile gegenüber der Strategie, Verdachtsfälle und Risikogruppen zu testen. Vor allem aber ermöglichen sie evidenzbasierte Maßnahmen, so die Ökonomen.
Ohne repräsentative Tests neigen Regierungen zu risikoaversen Entscheidungen – und damit möglicherweise zu drastischeren Schritten als nötig. Niemand möchte Leben gefährden, daher wird der Alltag tendenziell stärker eingeschränkt als nötig. Mit repräsentativen Tests kann dieses Muster durchbrochen werden, weil der Infektionsstatus in der Bevölkerung bekannt ist. Außerdem helfen randomisierte Tests dabei, systematisch mehr über das Virus und dessen Infektionsketten zu lernen.
Initiative für randomisiertes Testen
Für Länder von der Größe Österreichs oder der Schweiz schlägt Fehr einen regelmäßigen Test an 10000 Personen vor. „Dann wüssten wir, wo Hotspots entstehen, welche Berufes- oder Bevölkerungsgruppen besonders gefährdet sind, und wie einzelne Maßnahmen wirken. Außerdem kostet ein regelmäßiger Stichprobentest deutlich weniger als ein zweiter Lockdown.“
Um auf die Notwendigkeit von repräsentativen Tests zur Bewältigung der Corona-Krise aufmerksam zu machen, unterstützt Ernst Fehr auch die vor wenigen Tagen lancierte Initiative „Test the World“. Sie fordert flächendeckendes randomisiertes Testen, das es Bevölkerung und Wirtschaft erlaubt, mit COVID-19 zu leben.
Mehr unter: testtheworld.org
In order to develop an effective strategy and find a way back to normal, we have to continuously collect infection data. Who got infected? Who was this person in contact with? Is there an infection cluster behind an identified case?
Currently, testing is only carried out if there is justified suspicion of an infection. Two top behavioral economists, Dan Ariely (Duke University) and Ernst Fehr (University of Zurich) have doubts about the effectiveness of this approach. During a digital event hosted by the Vienna Behavioral Economics Network on May 27, the scientists discussed which measures are promising for finding a way out of the novel coronavirus crisis. They underlined the need for representative, randomized testing for COVID-19 in all countries, as this approach is not only more effective, but also more cost-effective.
Why test?
“We are still taking far-reaching measures without a solid base in data”, said Dan Ariely, who joined from Israel. “Therefore, we have to collect more data, in order to be able to understand the current situation.” Ernst Fehr added that these data should be gathered from representative samples. “If we do not begin to collect this kind of data, it will be difficult to find a way back to normal”, Fehr remarked.
Representative tests with random samples offer many advantages over the strategy of only testing suspected cases or risk groups. Above all, these tests enable to take evidence-based measures, the economists explained.
Without representative tests, governments tend to make risk-averse decisions – and possibly steps that are more drastic than necessary. Nobody wants to endanger life, so economic and social life is currently more restricted than it needs to be. This pattern can be broken with representative tests, because people would have much better knowledge of their infection status. Moreover, randomized tests help develop systematic insights into the virus and its infection chains.
Initiative for randomized testing
For countries the size of Austria or Switzerland with a population of around 10 million, Fehr suggest a regular test on 10,000 people. “By doing so, we would be able to pinpoint hotspots, identify which professional and population groups are particularly at risk, and evaluate how individual measures work. Importantly, such a regular test on a sample of that size costs significantly less than a second lockdown.”
In order to raise political and public awareness of the need for representative tests to cope with the coronavirus crisis, Ernst Fehr and Dan Ariely supports the “Test the World” initiative launched a few days ago. It campaigns for nationwide randomized testing that allows the population and businesses to live with COVID-19.
Read more: testtheworld.org
Neuer Himmel, neue Erde bedeutet der Name der christlichen Sekte Shincheonji in Südkorea. Ihre Mitglieder sehnen sich nach dem Tag des Jüngsten Gerichts, an dem die Auserwählten unter ihnen in den Himmel kommen. Als am 18. Februar eine an Covid-19 erkrankte Frau an einem Gottesdienst teilnimmt, steckt sie fast 40 Menschen an. Die Kirche kooperiert kaum mit den Behörden, viele verweigern Tests. Binnen zweier Wochen steigt die Zahl der Corona-Fälle in dem ostasiatischen Land von 30 auf über 4.000.
Regeln werden zu neuer Norm
Länder, die wie Österreich aus dem Lockdown kommen, stellen sich nun die Frage, wie sie das Virus eindämmen, aber gleichzeitig das soziale Leben ermöglichen können. Damit das wie in Südkorea ohne Zwang klappt, muss sich die Bevölkerung freiwillig an Regeln halten. Verhaltensökonomen beschäftigen sich seit langem mit der Frage, warum Menschen kooperieren.
Ein wichtiger Faktor ist, dass eine Regel wie das Tragen der Maske oder das Einhalten des Abstands zu einer Norm wird, was gewöhnlich längere Zeit braucht. Die Corona-Regeln seien aber sehr schnell zu sozialen Normen geworden, erklärt Rudolf Kerschbamer, Wirtschaftsprofessor an der Universität Innsbruck. Die Menschen halten sich daran, weil es sozialen Druck gibt. Wer ausschere, werde teils schief angeschaut, sagt der Verhaltensökonom. Dass soziale Normen entstehen, hat mit Erwartungen zu tun. “Zum einen mit Erwartungen darüber, wie stark andere sich an die Normen halten, zum anderen auch mit Erwartungen darüber, wie stark Abweichungen von der Norm von Mitmenschen sanktioniert werden”, so Kerschbamer. Ein Beispiel: Wenn ich erwarte, dass alle rechts fahren, sollte auch ich rechts fahren – sonst kracht’s. Social Distancing wurde aber so rasch zur Norm, weil die Menschen Angst vor dem Virus haben. In manchen Ländern wegen der Infektionszahlen, in Österreich wegen der Rhetorik des Kanzlers, so der Ökonom.
Beide Verhaltensökonomen unterstützen auch die Initiative “Test the World”, die ins Leben gerufen wurde, um politische Entscheidungsträger von der Notwendigkeit repräsentativer, randomisierter Tests zu überzeugen.
ATTENTION: DATE and TIME of the Interview HAVE CHANGED. It will take place on July 15th at 1:00pm EDT (Boston, New York), 10:00am PDT (Los Angeles, Seattle), 19:00 CEST (Vienna, Zurich), 6:00pm BST (London), 22:30 IST (Bangalore) live on Zoom.
US economist and Nobel Prize winner Paul Romer drew up a 10-page paper on how economic activity could be relaunched before an effective vaccine for the COVID-19 is available. Its central motto is clear: Testing, testing, testing.
By following this strategy, infected people can be identified and isolated from the healthy population, so that everyday restrictions are as low as possible and healthy people can pursue their normal economic and social activities.
But his demands have not yet been heard sufficiently: “Testing is still short of being where it needs to be. We may be facing an economic crisis akin to the Great Depression of 1929”, Paul Romer says.
In the digital, online joint meet-up of the Global Behavioral Economics Network (Collaboration between VBEN and ZBEN) on July 15, 2020, Nobel prize winner Paul Romer will talk in an interview with Prof. Dr. Nora Szech (Chair of Political Economy, at the Karlsruhe Institute of Technology) about the topic“COVID-19 – will economy and society survive a second wave? And: How you will profit from proper testing! Interview with Nobel laureate Paul Romer.”
We look forward to this exciting talk and to seeing you there: Please use the following link
https://us02web.zoom.us/j/87411705160?pwd=cElGMjJpZlJNclVORU9zazNJY2dnUT09
to join the zoom meeting on July 15th at 1:00pm EDT (Boston, New York), 10:00am PDT (Los Angeles, Seattle), 19:00 CEST (Vienna, Zurich), 6:00pm BST (London), 22:30 IST (Bangalore).
Die Zahl der Corona-Neuinfektionen in den USA steigt Tag für Tag dramatisch und auch in vielen weiteren Ländern nehmen die Infektionszahlen wieder zu. Die Corona-Krise ist also noch nicht ausgestanden, die Gefahr eines weiteren Lockdowns mit restriktiven Kontaktbeschränkungen scheint noch nicht gebannt.
Doch wie lässt sich das vermeiden? Und wie können Gesellschaft und Wirtschaft überhaupt eine zweite Welle durchstehen? Diese Fragen diskutierten Paul Romer, Träger des Alfred-Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaftswissenschaften 2018 und Universitätsprofessor für Ökonomie an der New York University, am 15. Juli 2020 bei einer Online-Konferenz des Global Behavioral Economics Networks mit Nora Szech, Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Ökonomie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und mehreren hundert Gästen.
„Wir können die Wirtschaft nicht reparieren, wenn wir keinen klaren Plan haben, wie die die Pandemie in den Griff bekommen“, ist Romer überzeugt. Die Krise gehe weit über die Wirtschaft hinaus. „Es ist auch eine Krise der Wissenschaft, die an Theorien festhält, anstatt neue Wege zu suchen. Dieses Virus ist anders. Und die Wissenschaft muss lernen, anders darauf zu reagieren.“
Ein Beispiel dafür sei das digitale Contact Tracing. Das funktioniert zwar in der Theorie gut, scheitert aber in der Praxis am Misstrauen der Menschen gegenüber der Technologie oder der Politik. Ebenso sei es laut Romer keine solide Strategie, auf die Allheilwirkung einer möglichen Impfung zu hoffen: „Es ist naiv zu glauben, dass damit sofort alles vorbei ist.“ Ganz im Gegenteil: Auch hier können in der Praxis das Misstrauen der Menschen gepaart mit einer weit verbreiteten Impfskepsis ungeahnte Hürden schaffen.
Romers Lösungsansatz: Schneller und mehr testen, um potenzielle Suprespreader rechtzeitig zu isolieren. Und dabei müsse man eben damit umgehen lernen, dass manche Ergebnisse noch ungenau sind. „Mehr zu wissen ist immer besser als weniger. Und selbst mit vielen ungenauen Tests wissen wir danach mehr als vorher. Die Menschen müssen einfach lernen, dass es hilft, sich regelmäßig testen zu lassen.“
Viele Länder sieht der Nobelpreisträger schon auf einem guten Weg, um erfolgreiche Strategien zum Leben mit der Pandemie zu entwickeln. Wer das ist? „China und Europa werden die Welt aus der Wirtschaftskrise führen“, so Romer.
Blinder Glaube an Experten, eine Wissensgesellschaft, für die uns die passenden Werkzeuge fehlen, und so viele Bäumen, dass wir den Wald nicht mehr sehen können. Ja, die Welt ist komplex. Um mit dieser Komplexität besser zurecht zu kommen, hilft es oft, über den Tellerrand zu schauen und sich neuen Ideen und Ansätzen zu öffnen.
Dieses Prinzip gilt auch für #uncoveringblindspots, das neue digitale Diskussionsformat des Global Behavioral Economics Networks (GBEN). Dabei teilen Expertinnen und Experten aus Bereichen abseits der Verhaltensökonomie ihr Wissen und diskutieren es mit Gerhard Fehr, einem ausgewiesenen Empiriker und Verhaltensökonomen. Dieses bewusste Crossover der Disziplinen soll helfen, eingefahrene Denkmuster durchzulüften und gemeinsam Licht auf unsere Blindspots zu lenken, also all die blinden Flecken, die unsere subjektiven Erfahrungen, unsere Kultur und unsere Einstellungen oft verbergen.
Kontextkompetenz als wichtigste Ressource
Der erste Gast bei #uncoveringblindspots am 1. September 2020 war Wolf Lotter, der unter anderem als Gründungsmitglied des Wirtschaftsmagazins „brand eins“ ebendort jeden Monat erhellende Essays zu den großen Themen unserer Zeit verfasst (Link zur Video-Aufzeichnung). In seinem neuen Buch „Zusammenhänge. Wie wir lernen, die Welt wieder zu verstehen“ ermutigt Lotter zu einem konsequenten Umdenken. Wir versuchen permanent Komplexität zu verringern, so Lotter, anstatt sie uns produktiv zu erschließen. Und wir lassen uns von Besserwissern bevormunden, anstatt in unser eigenes Wissen zu investieren.
Lotter fordert daher dazu auf, sich Kontextkompetenz anzueignen – die Fähigkeit, Zusammenhänge herzustellen. Wer Zusammenhänge erschließt und für andere zugänglich macht, erschließt Lösungen, Antworten, Aussichten. Komplexität ist in diesem Kontext für Lotter kein Problem, sondern die wichtigste Ressource der Gegenwart.
Wie man Kontextkompetenz erwirbt
Doch wie lässt sich Kontextkompetenz erwerben? Gerhard Fehr plädierte im #uncoveringblindspots-Dialog insbesondere für mehr Mut zu Experimenten. Durch sie könne man schnell lernen und neue Zusammenhänge herstellen, die innerhalb bewährter Denkmuster und Verhaltensweisen verborgen blieben. Außerdem, so Fehr, sei der Zeitpunkt dafür ideal: „Um die Corona-Krise zu bekämpfen laufen derzeit so viele Experimente wie noch nie, um Lösungen zu finden. Wir leben in einem neuen Zeitalter der Wissenschaft, und diese Gelegenheit sollten wir nützen.“
Diesen Befund teilt auf Wolf Lotter. „Aber es wird keine Wunderformel geben“, so der Autor. „Es reicht schon, wenn wir uns bemühen, Dinge nebeneinanderstehen und einander ergänzen lassen.“
Kann man aus der Häufigkeit der Textnachrichten am Smartphone prognostizieren, wie ein Student bei einer Prüfung abschneidet? Und wie hängt das mit dem Verhalten in sozialen Netzwerken wie Facebook zusammen? David Dreyer Lassen, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Kopenhagen und Gründungsdirektor des Center for Social Data Science (SODAS) beschäftig sich in seiner Forschung mit genau solchen Fragen. Er forscht seit vielen Jahren zu Big Data und den Auswirkungen der Digitalisierung auf das menschliche Verhalten. Beim digitalen Event des Global Behavioral Economics Networks (GBEN) zum Thema “Tracking. Tracing. Tagging. Big Data & who benefits from it” am 15. September 2020 gab er Einblicke in die Ergebnisse seiner Forschung.
In einem Projekt etwa hatten rund 800 Studentinnen und Studenten über zwei Jahren hinweg Daten zu ihrem digitalen Verhalten für Forschungszwecke zur Verfügung gestellt. Aus diesem Pool – im Übrigen weitaus anonymer als der Datenpool, aus dem Internet-Unternehmen wie Facebook schöpfen – konnten dann sowohl Bewegungsprofile erstellt werden als auch Korrelationen zwischen digitalem Verhalten und Prüfungserfolg. Studentinnen und Studenten, die in hoher Frequenz viele persönliche Nachrichten sendeten, schnitten meist schlechter ab – und die Empfänger der Nachrichten ebenso.
Was wissen Internetkonzerne über uns?
Wissen Digitalkonzerne also alles über uns? David Dreyer Lassen dazu: “Wir konnten mit Hilfe unserer Daten tatsächlich Prüfungsergebnisse prognostizieren. Doch als wir die Prognose auf Basis der Schulnoten aus der Vergangenheit wiederholten, waren die Ergebnisse genauer. Die digitalen Verhaltensdaten brachten in diesem Setting also keine bessere Qualität.” Nachsatz: “Trotzdem ist es gefährlich invasiv, dass Google oder Facebook über so viele Verhaltensdaten verfügen.”
So wichtig eine strenge Regulierung des Umgangs mit persönlichen digitalen Verhaltensdaten sei, sagt Dreyer Lassen, so groß ist auch deren Potenzial. So zeigte er etwa, wie mit Hilfe aggregierter und anonymisierter Bewegungsdaten einfach und schnell erfasst werden kann, wie sich Menschen in Städten bewegen, welche Verkehrsmittel sie dabei benutzen, und wie sich diese Muster bei bestimmten Ereignissen wie plötzlichem Regen systematisch verändern. Für den Forscher ist das die Basis für die Entwicklung effizienterer und nachhaltigerer Mobilitätsangebote.
Potenzial und Grenzen von Big Data
Im Anschluss an seinen Vortrag diskutierte Dreyer Lassen mit Jean-Robert Tyran, Verhaltensökonom und Vizerektor der Universität Wien, noch über die weitere Entwicklung der Forschung an der Schnittstelle von Big Data und menschlichem Verhalten. Das Fazit der beiden Wissenschaftler: Ja, das Fach bewege sich durch die Digitalisierung in Richtung einer Art datenbasierter Echtzeit-Sozialwissenschaft, doch deren Grenzen sind oft schnell erreicht. Man beobachte zwar viele Korrelationen, aber wenige Kausalitäten. Oder anders formuliert: Nicht alles, was nach einem Zusammenhang aussieht, hat auch tatsächlich miteinander zu tun. Und nicht immer liefern Big Data-Anwendungen bessere Antworten als analoge experimentelle Settings.
Can you predict student’s grades from the frequency of text messages on their smartphones? And how does that relate to their behavior on social networks like Facebook? David Dreyer Lassen, Professor of Economics at the University of Copenhagen and Founding Director of the Center for Social Data Science (SODAS), deals with such questions in his research. His research field comprises Social Data Science on Big Data and how digitalization affects human behavior. At the digital event of the Global Behavioral Economics Network (GBEN) „Tracking. Tracing. Tagging. Big Data & who benefits from it“ on September 15th, 2020, David Dreyer Lassen gave insights into the results of his research.
In one of his projects, around 800 students provided data on their digital behavior for research purposes over a period of more than two years. From this data pool – by the way, much more anonymous than the data pool from which big players like Facebook make use of – the research team not only created movement profiles, but also investigated if there are correlations between digital behavior and student’s exam grades.
What do internet giants know about us?
Do digital corporations like Google or Facebook know everything about us? David Dreyer Lassen explains: “Actually, we were able to forecast student’s test results. However, when we tried to forecast their grades just based on their past school grades, the results were much more precise. In this setting, we could not achieve a better result by analyzing digital behavioral data rather than conventional data.” Nevertheless: “It is still dangerously invasive that Google or Facebook know so much about our behavior”.
Although Dreyer Lassen feels that the handling of personal digital behavioral data needs to be regulated more strictly, there is also great potential. For example, it is possible to record how people move in cities, which means of transport they use and how these patterns systematically change in case of certain events such as sudden rain by analyzing aggregated and anonymized movement data. For the researcher, this is the basis for developing more efficient and sustainable mobility offers.
Big Data: Potential and limits
After his talk, David Dreyer Lassen discussed with Jean-Robert Tyran, Behavioral Economist and Vice Rector of the University of Vienna, the further development of research at the interface between Big Data and Human Behavior. The bottom line of the two scientists: Yes, the field is moving in the direction of data-based real-time social science due to digitalization, but its limits are often reached faster than expected. There are many correlations, but only few causalities. In other words: Not everything that seems to be connected actually has to do with each other. And Big Data applications do not always provide better solutions and answers than analogue experimental settings.