Standard: “Ob Abstand halten oder Hände waschen: Corona-Disziplin geht auch ohne Verbote”

Die Journalisten Leopold Stefan und Aloysius Widmann berichteten am 3. Juni 2020 über im österreichischen “Standard” über verhaltensökonomische Werkzeuge aus der Corona-Krise.

Neuer Himmel, neue Erde bedeutet der Name der christlichen Sekte Shincheonji in Südkorea. Ihre Mitglieder sehnen sich nach dem Tag des Jüngsten Gerichts, an dem die Auserwählten unter ihnen in den Himmel kommen. Als am 18. Februar eine an Covid-19 erkrankte Frau an einem Gottesdienst teilnimmt, steckt sie fast 40 Menschen an. Die Kirche kooperiert kaum mit den Behörden, viele verweigern Tests. Binnen zweier Wochen steigt die Zahl der Corona-Fälle in dem ostasiatischen Land von 30 auf über 4.000.

Regeln werden zu neuer Norm

Länder, die wie Österreich aus dem Lockdown kommen, stellen sich nun die Frage, wie sie das Virus eindämmen, aber gleichzeitig das soziale Leben ermöglichen können. Damit das wie in Südkorea ohne Zwang klappt, muss sich die Bevölkerung freiwillig an Regeln halten. Verhaltensökonomen beschäftigen sich seit langem mit der Frage, warum Menschen kooperieren.

Ein wichtiger Faktor ist, dass eine Regel wie das Tragen der Maske oder das Einhalten des Abstands zu einer Norm wird, was gewöhnlich längere Zeit braucht. Die Corona-Regeln seien aber sehr schnell zu sozialen Normen geworden, erklärt Rudolf Kerschbamer, Wirtschaftsprofessor an der Universität Innsbruck. Die Menschen halten sich daran, weil es sozialen Druck gibt. Wer ausschere, werde teils schief angeschaut, sagt der Verhaltensökonom. Dass soziale Normen entstehen, hat mit Erwartungen zu tun. “Zum einen mit Erwartungen darüber, wie stark andere sich an die Normen halten, zum anderen auch mit Erwartungen darüber, wie stark Abweichungen von der Norm von Mitmenschen sanktioniert werden”, so Kerschbamer. Ein Beispiel: Wenn ich erwarte, dass alle rechts fahren, sollte auch ich rechts fahren – sonst kracht’s. Social Distancing wurde aber so rasch zur Norm, weil die Menschen Angst vor dem Virus haben. In manchen Ländern wegen der Infektionszahlen, in Österreich wegen der Rhetorik des Kanzlers, so der Ökonom.

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